@Rico
Interssante Einwendungen, welche geanu den Punkt treffen. Diesen sehr speziellen und leicht zu übersehenden Punkt.
Ich sitze seit einigen Wochen regelmäßig in der Spezialbibliothek des Hannah-Arendt-Institues für Totalitarismusforschung und gebe meinem Affen Zucker.
Hannah Arendt wurde meiner Meinung nach weggelobt, da sie nicht zu übergehen war.
2015 wurde erstmals ihre sogenannten Denktagebücher nach Bearbeitung verlegt. Sie ermöglichen einen Einblick in ihr Denken und haben auch zu einer Wende in den Interpretationen ermöglicht. Anders ausgedrückt, es wurde noch einmal eine Tür aufgestoßen, weil der Kontext erhellt wird. Ich behaupte aber, dass der revoltionäre Gedanke bereits in ihrer Dissertation zu finden ist, was sie zum Genie macht.
Das als Einstimmung.
Deiner Einschätzung von Eichmann ist demnach zu widersprechen. Hier ihr die ganze Gemeinde geirrt. Hannah Arendt wurde regelmäßig missverstanden.
Der Eichmannfall ist extrem exemplarisch. Das macht die Bearbeitung so interessant. Derzeit schreibe ich an einer Analyse über diesen Komplexes.
Es berührt die Frage des freien Willens. Eichmann hat sich doof gestellt und so getan, als ob er die Dimension seiner Verbrechen nicht begreift. Ontholigisch bedeutet das, dass der freie Wille dazu benutzt werden kann, ihn zu suspendieren. Stimmt das?
Nun besteht eine Falle darin, ein Modell gegen ein anderes auszutauschen. Zirkulärer Mist.
Um Eichmann erklären zu können, muss man zudem ja den Menschen selbst erklären können.
Eichmann hat nach Takt bewußtlos gehandelt und Hitler wähnte sich wie Papst Urban, Napoleon, Karl d. Große etc.pp als eingesetzter Verwalter Gottes.
Ich will auf etwas hinweisen. Das entspricht genau der Ausrede z. B. eines Vergewaltigers. "Es ist einfach über mich gekommen, ich wußte nicht was ich tat, über das Opfer habe ich nicht nachgedacht".
Diesen Eindruck will ein Täter natürlich erzeugen, weil es ihn entlastet. Das nennt man Schuldverschiebung. Hier, in den Himmel, die Umstände, zu Satan, der Gesellschaft. ins Nichts. Wenn der Täter noch den Minirock erwähnt, dann kommt die Frau selbst noch Schuld zugeschoben.
Der Behauptung jemand habe willenlos gehandelt oder weil er vom Bösen befallen war, wird von der Gesellschaft aus nachvollziehbar Gründen gern geglaubt, oder weil man sich die Altnnative schlichtweg nicht verstellen kann.
Bei genauerer Betrachtungsweise ist das auch klar. Wenn der freie Wille per meiner Defintion bedeutet, das man seine Konditionen konditionsfrei ändern kann, dann ist man innerhalb seiner Konditionen frei.
Es ist egal, was Hitler, die Götter, die KI oder die bösen Stimmen vorgeben, das ist nur der Spielrasen auf dem der freie Wille sich tummelt.
Wenn es ihn gibt. Was komischerweise umstritten ist. Auch konnte niemand in Eichmanns Kopf schauen um ihn so der Täuschung überführen.
Meine Auffassung zu beweisen umgreift ein riesiges Feld. Eichmann wurde aufgehängt und ist Geschichte, aber eine die man gut analysieren kann. Der Fall ist exemplarisch.
Hilfreich ist zu wissen, das Eichmann ein Diamantendieb und Abzocker war, welcher in die eigene Tasche gewirtschaftet hat. Eine recht neue Erkenntnis der Forschung. Damit sieht der Fall schon anders aus. Dann wird aus dem Bürokraten schlichtweg ein Schreibtisch-Raubmörder. Und das mir dem Schreibtisch ist auch eine Legende. Eichmann war in seinen Glanzzeiten mal hier und mal dort, überall und nirgends. Eine geregelte Schreibtischarbeit, somit eine systemetische Auseinandersetzung mit seinem Tun, war seinem Tatendrang nicht zuträglich, was exakt auf Hitler zutrifft.
Eichmann befand sich im Rausch. Er war berauscht von dem Freifahrtschein, welchen er in seinen Hânden wähnte. Und Rausch ist ein Tool zur Bekämpfung von Angst.
Seine Motivation konnte er in Jerusalem natürlich nicht zugegeben, denn die Richter hätten ihn persönlich instant aus seiner Glasbox gezerrt und ihn mit bloßen Hânden zerrissen. Selbst Buddah und Jesus hätten da mitgemacht, wenn herausgekommen wäre, für welch kleinliche Vorteile und für welche Großmannsucht, er Millionen ins Gas befördert hat.
Soweit so plausibel. Kann man das alles beweisen? Ja das kann man. Und hierbei geht es nicht um die Aufstellung eines Modells, sondern es gelten die Maßstäbe emphierischer Forschung.
Das ist ganz großes Kino.
Was du beschreibst stimmt so weit. Aber es ist eine verkürzte Sichtweise. Ich mußte einiges anstellen um hier meinen eigene Blockade zu erkennen.
Die gângigen Denkmuster sind einfach zu verführerisch.
Stell dir vor, du bekommst einen schlichten Befehl, als Angehöriger einer Freiwilligen-Armee, welchen du zur Zufriedenheit ausführst. Dein Vorgesetzter i
und spendet Lob. Dein inneres Belohnungssystem wirf das entsprechend vermerken und einllernen.
Wenn du dich mit den Zielen der Armee identifizierst, um so besser.
Bist du nun ein abgerichteter Automat ohne freien Willen, welcher sich fortlaufend mental selbst betrügt um seinen freien Willen zu unterdrücken?
Mitnichten. Du bist freiwillig in die Formation eingetreten, du hast freiwillig an deren Quatsch geglaubt, dich freiwillig den Befehl ausgeführt usw. Nichts davon hättest du machen müssen. Niemand hat deine Hand geführt bei der Unterschrift, niemand deinen Mund bewegt, als Parolen gebrüllt wurden und du hâttest dem Befehlsgeber auch einen Vogel zeigen können. "Stürmen sie das MG-Nest!". Und selbst wenn du das MG-Nest eingenommen hast, dann lag es an deinen Willensentscheidungen. Man rennt ja nicht schnurgerade von A nach B, sondern legt den Befehl zu seinem Vorteil frei aus. Sonst brauchte man ja keine Orden verteilen bzw. der General würde sie sich alle selbst verleihen müsse.
Natürlich schwächen die Umstände den Willen. Und natürlich geht es um ein Kosten-/Nutzenkalkül und um Konsequenzen.
Aber nur weil du bei Befehlverweigerung an die Wand gestellt wirst, bedeutet es nicht, dass du in deiner Entscheidung nicht frei warst.
Man wird ja nicht durch Konsequenzen gezwungen, sondern handelt frei nach seinem Kalkül bezüglich der gemutmaßten Konsequenzen. Und bloß weil einem die Konsequenzen unangenehm erscheinen, ist man nicht unfrei. Wer sich anhand der Konsequenzen unfrei fühlt, schwimmt in seiner eigenen Soße.
Aber sich an die Wand stellen lassen folgt einem Kalkül. Vielleicht befreien einen die Rebellen in letzter Minute. Vielleicht hat es valide Vorteile lieber so umzukommen, als weiter zu machen. Man wird vielleicht später zum Held erklärt und die Kinder erhalten ein Stipendium. Oder man vermeidet ein Martyrium durch abgerissene Beine beim Sturmangriff.
Der Begriff Kon-Sequenz sagt alles. Handlungensentscheidungen unterliegen einer zeitlichen Prognose. Vor dem Peleton stehend oder verblutend vor dem MG-Nest liegend, fällt einem im Idealfall ein, dass das man es freiwillig selbst verbockt hat. Man dachte bei der Unterschrift und nach dem Freibier des Werbers, dass es eine gute Idee ist, in den Miltärdienst einzutreten. Ach oh Gott, wer hâtte das nun ahnen können!
Das Kalkül war falsch und ist nicht aufgegangen. Das ist fieseste Spieltheorie.
Was macht ein Spieler, wenn er sich verzockt hat? Welche Optionen bleiben ihn, um den Verlust zu vermeiden?
Da fällt mir einiges ein. Bescheißen und Mogeln. Man kann behaupten, man hat gar nicht mitgespielt, die Regeln nicht gekannt, gedacht es geht um keinen Einsatz usw. Oder man kann wider Willen behaupten der Gegner hätte betrogen, sei zum Spiel verführt bzw. angstiftet worden usw.
Aber die Tatsache bleibt, dass man "Selbst' gespielt hat". Wer das ableugner, muss hinterher sein Selbst suchen.
Nach 1945 haben sich auch alle so verhalten.
Eichmann hatte gewußt wie die Spielregeln lauteten, denn er hat vortrefflich danach gespielt. Auch im NS-Strafgesetzbuch waren die Delikte Mord, Beihilfe oder Raub nicht getilgt. Ebseno wurde vertuscht und im Völkischen Beobachter gab es keine Deportations-Vollzugsmeldungen. Das ist Eichmann sicherlich aufgefallen, wenn er " Geheime Reichssache" auf's Papier gestempelt hat. Auf Befehl des Führers gab es noch andere Spielregeln, oder eben eine verlogene Doppelmoral. Als ordnungsgemäße Beamter hätte sich Eichmann ja seine Befehle eindeutig und schriftlich geben lassen können. Stattdessen gab es Tarnbezeichnungen und Geraune am Telefon.
Sein Problem war, dass die geheimen Spielregeln nach 1945 nicht mehr galten, er hatte verspielt. Und zwar sein Leben.
Er ist freiwillig 1932 in die SS eingetreten, niemand hatte ihn gezwungen usw.
Solche Leute nennt man Verlierer.
Eichmann war gewieft und oberschlau. Es ist wie mit Höss. Der hat sich auch als debiler Psycho hingestellt. Aber ein Idiot kann nicht ein Auschwitz aus dem Boden stapfen und organisieren. Immerhin auch ein gigantisches Arbeitslager mit hunderttausend Insassen und angeschlossener Industrie. Dazu braucht es Geschick, Verstand, Intelligenz, Kommunikations- also Einfühlungsvermögen usw.
Ja, ja genau. Auschwitz ist vom Himmel gefallen oder hat sich auf Befehl des Führers selbstgebaut.
Eichmann war aber auch vom "empöhrender Dummheit", wie Hannah Arendt richtig festgestellt hat. Das bezog sich auf sein Verhalten im Prozess. Er hat nicht bemerkt, dass seine Schlâue und Rafinesse nun völlig umsonst sind. Er hatte vollständig verspielt, aber so getan, als ob er das nicht merkt. Er war so dumm, dass er dachte, es spielt noch eine Rolle, bzw. das er genau diesen Eindruck erwecken wollte, denn er wußte ja, dass er in jedem Fall hängt. Doppeldumm, dummdreist und das ist empörend. Das steckt empor drin.
Was Eichmann gemacht hat, hatte nur einen mentalen Binnennutzen. Nach Außen brachte es ihm nichts.
Aber seine Verhalten war zwingend. Absolut zwingend. Er konnte sich im Prozess gar nicht anders mehr verhalten. Ohne die Möglichkeit nur der kleinsten Abweichung.
Warum führt hier zu weit ist aber extrem spannend.
Obwohl Eichmann in der Glaskiste saß und völlig eingezwängt war, beweist gerade das seinen freien Willen bzw. daran kann man einen solchen beweisen. Etwas Paradox.